In Deutschlands Mitte: Erfurt
Was hat Erfurt gewonnen und was hat Frankfurt am Main verloren?
Und genau das ist durch die deutsche Wiedervereinigung passiert.
Der geographische Mittelpunkt Deutschlands liegt nun in Niederdorla in Thüringen und nicht mehr im hessischen Herbstein. Es gibt kein einheitliches Verfahren zur Ermittlung dieses Punkten. Das gängigste ist wohl die Ermittlung des Mittelpunkts eines von Breiten- und Längengraden begrenzten Gebietes.
Dazu ein paar Eckdaten:
Geographischer Mittelpunkt alte BRD: Herbstein
- Distanz von Frankfurt: 68 km
- Distanz von Erfurt: 124 km
Geographischer Mittelpunkt BRD: Niederdorla
- Distanz von Frankfurt: 170 km
- Distanz von Erfurt: 43 km
Daraus folgend ist jetzt der Flughafen Erfurt-Weimar derjenige, der dem aktuellen geographischen Mittelpunkt Deutschlands am nächsten ist. Vor der Wiedervereinigung war dies Frankfurt.
Die Logistik-Branche hat sich nach der Wiedervereinigung schnell an diese Entwicklung mit neuen Umschlagzentren nordöstlich des Kirchheimer Dreiecks entlang der A4 und der A7 angepasst. Es ist das Who is Who der Branche, z.B. Amazon, DHL oder auch Hermes. Hessen ist hier auf der Gewinnerseite. So weist die Analyse „Logistikstandort Hessen“ (Hessisches Wirtschaftsministeriums, 2007), auf S. 19 im Zeitraum 1999-2005 in Nordhessen eine Steigerung der in der Logistik Beschäftigten um 8 % aus. Im gleichen Zeitraum sank dieser Wert in Südhessen um 5 %.
Als nächstgelegene Flughäfen zu diesen Logistik-Centern konkurrieren Kassel und Erfurt. Erfurt liegt bezüglich zeitlicher Erreichbarkeit vorne, was maßgeblich an der direkten Autobahnanbindung des Flughafens liegt. Für Erfurt-Weimar ist das ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil hinsichtlich Luftfracht und globalen Lieferketten. Luftfracht trotzt Corona durch eine stabile Marktentwicklung.
Eine kluge Entscheidung der Bahn – Der ICE-Kreuzungspunkt Erfurt
So wie die Logistik-Dienstleister hat auch die deutsche Bahn den Standortvorteil von Erfurt klar erkannt.
Aufgrund seiner zentralen Lage in Mitteleuropa ist Erfurt ein wichtiger Bestandteil des europäischen Infrastruktur-Leitplanes und des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Die Hochleistungsstrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig/Halle–Berlin (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8) der Bahn dient dem Personen- und dem Güterverkehr. Sie ist als östlichste Nord–Südachse in Deutschland in das künftige transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-Projekt Nr. 1, Berlin–Palermo) eingebunden, das in nördlicher Richtung bis Schweden weiterführt.
Innerdeutsch gibt es die griffige Formel :
- In 2 Stunden von Erfurt nach München (neue Strecke)
- In 2 Stunden von Erfurt nach Berlin (neue Strecke)
- In 2 Stunden von Erfurt nach Frankfurt (über eine bereits bestehende Strecke).
Und hier fehlt dann nur noch:
- In knapp als 2 Stunden von Erfurt nach Hamburg; damit käme man mit dem ICE in weniger als 4 Stunden von Hamburg nach München. Heute ist die kürzeste Fahrzeit etwas mehr als 5 ½ Stunden
- Ein ICE-Durchgangsbahnhof am Flughafen Erfurt-Weimar
Das wären zwei Entwicklungsschritte zur weiteren Stärkung des bedeutendsten ICE-Kreuzungspunktes in unserem Land. Über die nationale Bedeutung hinausgehend ist die Bahn-Anbindung des Flughafens Erfurt-Weimar auch essentiell für eine intermodale Vernetzung der Mitteldeutschen Flughäfen.
Intermodale mitteldeutsche Achsen
Eine intermodale Vernetzung wertet die Mitteldeutschen Flughäfen nachhaltig auf. Es ginge dabei im Übrigen zunächst um eine Achse vom Flughafen Erfurt-Weimar, über Leipzig-Halle zum Flughafen Dresden. Diese Achse sollte um eine weitere Achse vom „Flughafen Magdeburg Hbf“ zum Flughafen Leipzig-Halle ergänzt werden.
Es sollte eine schnelle (ICE-) Bahnverbindung mit entsprechendem Komfort für Flugreisende sein, vielleicht sogar mit einer „Aviation Class“ u.a. mit Gepäck-Service. Mit Blick auf die Kosten sollte das Aviation Produkt der Züge ein Kuppelprodukt auf Zügen sein, die ohnehin den regionalen Schnellverkehr bedienen.
Diese Vernetzung der Flughäfen schafft Flexibilität hinsichtlich Arbeitsteilung der Flughäfen mit dem Ziel eines insgesamt besseren Flugangebots für die drei Mitteldeutschen Bundesländer. Es stärkt auch die Verhandlungsposition gegenüber den Fluggesellschaften, indem durch eine höhere, weil konsolidierte Nachfrage, auch höhere Auslastungen erzielt werden können.
Jetzt gilt es, aus dem geographischen Mittelpunkt Deutschlands und den Schienenverkehrsachsen einfach noch mehr zu machen.
shair Wolfgang Hildebrand (C) 01.08.2020